Physiknobelpreis 1949: Hideki Yukawa

Physiknobelpreis 1949: Hideki Yukawa
Physiknobelpreis 1949: Hideki Yukawa
 
Der japanische Physiker erhielt den Nobelpreis für seine auf der Grundlage theoretischer Arbeiten über Kernkräfte beruhende Vorhersage der Existenz der Mesonen.
 
 
Hideki Yukawa, * Tokio (Japan) 23. 1. 1907, ✝ Kyoto (Japan) 8. 9. 1981; zwischen 1932 und 1938 war er Dozent und Assistenzprofessor an den Universitäten von Kyoto und Osaka, anschließend Professor für theoretische Physik in Kyoto, von 1948 bis 1952 arbeitete er in den USA, dann bis 1970 Direktor des Instituts für physikalische Grundlagenforschung in Kyoto.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Der theoretische Physiker Hideki Yukawa befasste sich mit der Natur der anziehenden Kernkräfte. 1932 stellte er die Theorie auf, dass diese Kräfte auf ein neues Teilchen zurückgingen, das ständig zwischen Protonen und Neutronen ausgetauscht werde. Drei Jahre später bestimmte er die Größe des nicht bewiesenen Teilchens auf die 200fache Elektronenmasse. Für diese außerordentliche Leistung erhielt er 1949 den Nobelpreis für Physik.
 
 Der Zusammenhalt des Atomkerns
 
Als im Januar 1932 der englische Physiker James Chadwick (Nobelpreis 1935) das Neutron entdeckt hatte, ergaben sich daraus mehr Fragen als Antworten. Dennoch konnten die meisten Physiker ihre Vorstellung von der Struktur der Materie mit dem atomaren Aufbau des Kerns aus den positiv geladenen Protonen und den ungeladenen Neutronen vereinbaren. Gemeinsam mit den Elektronen der Atomhülle ließen sich die meisten physikalischen und chemischen Vorgänge hiermit gut erklären. Doch die Frage stand im Raum, welche Kräfte den Atomkern zusammenhalten.
 
Nach dem Gravitationsgesetz des englischen Forschers Sir Isaac Newton ziehen sich zwar die Nucleonen, also Protonen und Neutronen, an. Aber das Gesetz des französischen Physikers Charles Augustin de Coulomb besagte, dass sich die gleichnamig geladenen Protonen abstoßen müssen. Und diese abstoßende Kraft ist 8 x 1036 mal größer als die Gravitationskraft. Die Massenanziehung spielt also im Kern überhaupt keine Rolle. Doch die erforderlichen riesigen Anziehungskräfte, die den Atomkern gegen die Coulomb'schen Kräfte zusammenhalten, waren bis dahin noch nie beobachtet worden. Sie mussten folglich mit der Entfernung viel stärker abnehmen als die elektrischen oder die Gravitationskräfte und außerhalb des Kerns unmerklich sein.
 
Die Natur dieser geheimnisvollen Riesenkräfte war rätselhaft, Yukawas Theorie entsprechend ungewöhnlich. Er beschrieb die Kernkraft durch den Austausch eines Teilchens, dessen Masse mit der Reichweite der Kraft in Zusammenhang steht — heute nennt man die Kraft starke oder hadronische Wechselwirkung. Das elektromagnetische Feld stand ihm dabei Modell. Er stellte sich ein Feld vor, das von Kräften mit kurzer Reichweite gebildet würde. Da jede Kraft aber mit einem Teilchen assoziiert sein musste, schloss er, dass es eine einfache Beziehung zwischen der Reichweite der Kraft und dem dazugehörigen Teilchen geben musste. Er beschrieb diese Kraft zwischen zwei Nucleonen korrekt als Folge von Emission und Absorption eines virtuellen Teilchens einer bestimmten Masse. Um den Energieerhaltungssatz nicht zu verletzen, musste dieses Teilchen nach einer bestimmten Zeit, die durch die Unschärferelation gegeben ist, wieder absorbiert werden. Da sich so ein Teilchen höchstens mit Lichtgeschwindigkeit bewegen konnte, musste seine maximale Reichweite begrenzt sein. Er setzte die Distanz gleich der Reichweite der Kernkräfte und konnte so die Masse seines Teilchens schätzen. Das virtuelle Teilchen sollte etwa ein Zehntel des Protons wiegen und etwa um das 200fache schwerer als das Elektron sein. Er nannte sein Teilchen deshalb Meson, abgeleitet von griechisch Mitte.
 
Manche Physiker verglichen dieses schwer vorstellbare Meson mit einem Knochen, um den sich die zwei Hunde Proton und Neutron streiten.Hideki Yukawa selbst antwortete auf diese schwierige Frage einfach und genial:
 
»Übrigens stellen Sie sich folgendes Bild vor. Im Gehen werfen sich zwei Personen ständig einen Ball zu. Deshalb können sie sich nicht weiter als bis auf einen bestimmten Abstand voneinander entfernen. Wenn man die beiden von weitem sieht, ist der Ball nicht zu erkennen, und man kann annehmen, dass sie freundschaftlich nebeneinander gehen. Dennoch scheinen sie durch eigenartige Anziehungskräfte aneinander »gefesselt« zu sein. Ähnliche Anziehungskräfte wirken auf die Protonen und Neutronen im Atomkern ein.« Die Nukleonen können nach dem Bild von Yukawa unablässig Billionen von Jahre Ball spielen und sich gegenseitig Mesonen zuwerfen. Trifft irgendwann ein Geschoss von der Art eines kosmischen Teilchens auf diese angenehme Beschäftigung, lassen die beiden den »Ball« fallen, spritzen aus dem Kern heraus und dieser »stirbt«, wie Yukawa sich ausdrückte. In diesem Moment können die Mesonen festgestellt werden.
 
Er stellte sich die Frage, ob so ein Teilchen außerhalb des Kerns existieren könne, und kam zu dem Schluss, dass es während der Wechselwirkung von Neutron und Proton gebildet werden könne, vorausgesetzt diese könnten die erforderliche hohe Energie dazu liefern. Deshalb sollten die Teilchen nicht in energiearmen Kernreaktionen gebildet werden können. Entsprechend behauptete Yukawa, dass sie in der kosmischen Strahlung auftreten müssen, die Partikel hoher Energie enthält. Doch mit dieser Theorie gab er sich noch nicht zufrieden. In Anlehnung an eine Theorie des italienischen Physikers Enrico Fermi (Nobelpreis 1938) vermutete er, dass sein Teilchen in ein Elektron und ein kleines, neutrales Teilchen namens Neutrino zerfallen würde.
 
Yukawas Vorstellung war so revolutionär, dass zunächst kaum ein Physiker seine Theorie akzeptieren wollte. Seine Arbeit war außerhalb Japans auch kaum bekannt, als 1937 die amerikanischen Physiker Carl David Anderson (Nobelpreis 1936) und Seth Henry Neddermeyer (1907-88) in der kosmischen Strahlung ein Teilchen entdeckten, das fast genau die von Yukawa vorausgesagte Masse besaß.
 
 Der Streit um den Namen ist entschieden
 
Der Name Meson entstand unter großen Schwierigkeiten. Als noch niemand an die Existenz des Teilchens glaubte, wurde es scherzhaft »Yukon« genannt. Später sprach man vom »schweren Elektron« oder »leichten Proton«. Yukawas Teilchen erhielt schließlich, gegen den ausdrücklichen Protest der französischen Physiker, die nicht wünschten, dass der Name mit maison (Haus) verwechselt werden könnte, den Namen »Meson«.
 
Die Teilchen, aus denen die Atome aufgebaut sind — die Elementarteilchen —, werden heute in die leichten Leptonen und die schweren Hadronen unterschieden. Zu den Leptonen zählen das Neutrino, das Elektron und das von Anderson und Neddermeyer entdeckte Teilchen, das als Müon bezeichnet wird. Die schweren Teilchen heißen Hadronen. Sie unterteilen sich wiederum in die schweren Baryonen und die leichten Mesonen. Zu den Baryonen gehören Proton und Neutron. Die Mesonen bestehen aus dem Teilchen Eta, dem Kaon (K-Meson) und dem von Yukawa postulierten Pion (Pi-Meson).
 
Yukawa war sich der gesellschaftlichen Verantwortung der Kernphysiker stets bewusst. 1955 unterzeichnete er das Russell-Einstein-Manifest zur Verhinderung eines Atomkriegs und er engagierte sich in der Pugwash-Bewegung, die 1995 gemeinsam mit ihrem Gründer Joseph Rotblat den Friedensnobelpreis erhielt.
 
U. Schulte

Universal-Lexikon. 2012.

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